Die Leinwand, der Film und der Kinosessel
– Praktische Spiritualität –
Der Vorspann
Da werden wir hineingeworfen in diese Welt. Als Neugeborenes und Kleinkind sind wir „eins“ mit der Welt, in die wir staunend blicken. Anfänglich sind die Eltern wie Götter und wir orientieren uns an Ihnen und im weiteren Verlauf auch an gesellschaftlichen Normen sowie an anderen Menschen.Es ist dies das „erste Skript“, das in uns wie eine Programmierung hineingeschrieben wird – all die Glaubenssätze, die Einstellungen, die Sichtweisen, mit denen wir versuchen, die Welt zu verstehen. Einige davon haben allerdings das Potenzial, uns später gehörig auf die Lebensqualität zu schlagen (z.B. „ich bin nicht so gut und eigentlich auch nicht okay“, „wenn ich ganz viel arbeite, bin ich gut und werde gelobt“, „ich muss kämpfen, es wird bestimmt irgendwann besser“, u.v.a.).
Der Film
Dann später wird mit 18 behauptet, wir seien nun erwachsen; wir machen unsere Erfahrungen, die unser Hirn ständig mit dem „ersten Skript“ abgleicht und wir versuchen durchaus, auch eigene Wege zu gehen, doch häufig mit „Rezepten“ eben dieses ersten Skripts.
So entwickelt sich unser eigener Film, den wir uns nun permanent an unsere innere Leinwand projizieren und den wir gewohnheitsmäßig für die Wahrheit halten.Darin spielen wir mehrere Rollen – auf der Arbeit, in der Partnerschaft, in Beziehungen (auch zu uns selbst), u.v.a. – und wir halten das, was wir da sehen und wahrnehmen, für uns selbst, für die Realität und für unser wahres Leben.Je tiefer die Identifizierung mit dem, was wir glauben, darstellen zu wollen oder zu müssen, sowie mit dem, was wir für wahr halten, desto tiefer geraten die Verstrickung und das potenzielle Leiden, in das wir hinein geraten.
Magnetische Beharrungskräfte
Es ist unser Ego, das sich da darstellt und uns in unserem Kopf außerdem ständig Geschichten und Kommentare darüber serviert, was denn nun gut/böse/falsch/richtig ist, was an uns selbst nicht „gut und ausreichend“ ist und was zu tun oder zu lassen sei (oft begleitet z.B. von Schuld, Scham, Reue und zahlreichen Ängsten). Unser „Geist-Verstand“ – im Englischen mind – gebärdet sich als Dauerkontrolleur, der danach trachtet, unser Leben „im Griff“ zu behalten.Doch so setzt sich das unterschwellige Leiden fort – entweder es will keine Lebensfreude aufkommen oder wir suchen sie vergebens in Ablenkungen und Pseudovergnügungen aller Art; und schließlich bekommen wir es auch mit körperlichen Symptomen zu tun.Der Kopf wird nie von selbst zugeben, dass das etwas mit ihm zu tun haben könnte – denn das könnte seiner Rolle als vermeintlichem Steuerer unseres Lebens ja gefährlich werden.
Der Kinosessel
Was würde passieren, wenn wir aus dem Film gleichsam heraustreten und uns auf einen Kinosessel setzten, sagen wir mal Parkett, zehnte Reihe in der Mitte, mit bester Sicht auf die Leinwand?Das kann ungeheuer spannend werden und wir können das auf zwei Ebenen betrachten.Zum einen die philosophisch-spirituelle Ebene: Auf diese Weise kann ein „Aufwachen“ oder „Erwachen“ möglich werden.
Und zum anderen die praktische Ebene: Wir werden so endlich erwachsen und fähig zu wahrer Selbstentfaltung, inklusive einer Hinterfragung unseres „ersten Skripts“. Das eigene Schreiben eines „zweiten Skripts“ – viel stärker aus uns selbst heraus (wer oder was sind wir wirklich) – wird so überhaupt erst möglich.
Abstand:
Nach den besten Wegen zur Überwindung von Traumata und letztlich zur Überwindung von sich selbst befragt, antwortete der Psychiater und Ausschwitz-Überlebende Viktor Frankl einmal „Selbstdistanzierung, Selbsttranszendierung und Humor“.
Sterben lernen und fließen lassen
„Das ganze Leben lang muss man sterben lernen“ sagte schon der römische Philosoph Seneca.Auch in der Bibel wird uns empfohlen, uns mit dem Sterben auseinanderzusetzen: „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“.Doch mit diesem Sterben ist eben nicht unser körperliches Ableben gemeint. Es ist das Loslassen all dessen, was wir bislang über uns und die Welt denken. Das hat letztlich das Sterben des Egos zur Folge sowie das Finden unseres authentischen Selbst.
Ist dann alles rosarot mit Friede, Freude und Eierkuchen?Nein, natürlich nicht – doch je unmittelbarer wir das Leben zulassen können, desto lebendiger werden wir; desto eher können wir das, was uns und durch uns hindurch passiert, fließen und damit auch wieder abfließen lassen.
Kämpfen bringt‘s nicht: Das, was unsere Lebendigkeit einschränkt, wird dadurch nur stärker.Spirituell gesehen stellt das Ego mit seinen Blockaden und Verstrickungen sogar Selbstliebe dar: Es sind Mauern, die wir einmal aufgebaut haben, um uns selbst zu schützen.Wenn wir also etwa auch unseren Ängsten freundlich begegnen, ohne sie zu verdrängen oder davonzulaufen, dann kann sich bereits etwas in uns entspannen.Ein besonders schönes Bild dazu ist die Welle, die sich bewusst wird, dass sie (auch) das Meer selbst ist.
Glücklich sein
Lassen wir mal zwei Stimmen zu Wort kommen, die das viel besser auf den Punkt bringen als ich:Zunächst Jesus höchstpersönlich, der drückte es so aus: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen“.Wir sollen als Erwachsene eben nicht alle völlig infantil werden, sondern die Welt, so wie sie ist, staunend wie ein Kind vollständig und ganz annehmen.
Und hier ein Satz des englischen Philosophen und Lehrers Rupert Spira:„Glück ist nicht etwas, das man finden, erwerben oder verursachen kann. Es kann nur aufgedeckt, offenbart und erkannt werden“.Vieles ist vielleicht noch zugedeckt – statt jedoch immer noch etwas von außen hinzuzufügen, besteht die wahre Heldenreise darin, zu ent- bzw. aufzudecken.Glück und Lebensfreude ergeben sich so ohne unser Zutun und in einer ganz anderen Qualität.
Praktische Umsetzung
Was hat „der Kinosessel“ mit unserer Lebenswirklichkeit zu tun? Können wir überhaupt etwas tun?Und was bedeutet denn „wenn nichts getan wird, bleibt nichts ungeschehen“ (Lao-Tse)?
Nichts tun heißt nicht, sich gehen lassen, sondern „geschehen lassen (ohne einzugreifen)“ – oder einfacher ausgedrückt, Abschied von der Illusion, alles kontrollieren zu müssen oder zu können.Es geht darum, alles willkommen zu heißen und die Erfahrung ganz durch sich hindurch „passieren“ zu lassen. Wenn wir mehr auf unsere Intuition und unseren Körper statt auf unseren Kopf hören, entfaltet sich unser Leben von allein.
Wir müssen unseren Kopf, unseren Verstand nicht verlieren, um unsere Seele zu finden – er kann, wenn er nicht mehr die totale Regie hat, zu einem hilfreichen Alltagsdienstleister werden.
Die Aufgabe liegt darin, uns selbst aus dem Wege zu gehen.
Auch die Sonne schaut nicht ängstlich nach draußen, wann die Planeten anfangen zu leuchten und wo sie Orientierung bekommen kann. Sie ist sich ihrer selbst bewusst, sie leuchtet in voller Schönheit aus sich selbst heraus als das, was sie ist.Das dürfen und können wir auch.
Wertvolle Impulse
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Zitat einer langjährigen Leserin:
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