♦ Freude, Zeit, Zyklen und Leben ♦

 

Schwingungen

Es lohnt sich, diesen eng miteinander zusammenhängenden Begriffen nachzugehen. Viele Menschen fragen sich: „Wer bin ich?“, „Was ist Leben?“ oder “Was ist der Sinn des Lebens?“ – Das sind überaus legitime Fragen, die vermutlich so alt sind wie die Menschheit. Auf der Basis diverser Antworten auf sie sind zahlreiche Religionen und Philosophien entstanden.

Der amerikanische Psychiater und Mystiker David R. Hawkins stellte die Theorie auf, dass unsere Zustände energetischen Schwingungen entsprechen. Er kalibrierte diese – wenngleich auf etwas umstrittene Art und Weise – mit Hilfe von kinesiologischen-Methoden: Dennoch sind seine Ergebnisse spannend und durchaus einleuchtend. Dabei unterscheidet er auf seiner Skala des Bewusstseins 17 Ebenen von Emotionen, von Scham und Schuld mit geringem Basiswert ganz unten bis hin zu „Erleuchtung“ mit höchstem Schwingungswert ganz oben. Die Ebene der Freude, befindet sich an dritter Stelle(!). Hmm, also alles Friede, Freude, Eierkuchen?

Nein, keinesfalls ist hier eine rosarote Sicht der Dinge oder irgendein aufgesetztes „positives Denken“ gemeint. Die Ebene der Freude ist für Hawkins von einem Gefühl heiterer Gelassenheit begleitet. Paradoxerweise schließt das mit ein, dass sich Traurigkeit, Ängste, Wut oder andere Gefühle im eigenen System zeigen – ein wirkliches Erreichen der Ebene der Freude und damit natürlich der Lebensfreude bewirkt nur, dass wir nicht länger an diesen Gefühlen hängenbleiben.

 

Zeit

Kennen Sie das, dass es einem so vorkommt, als verginge die Zeit unterschiedlich schnell?
Dr. Karlheinz Geißler und sein Sohn Jonas betreiben in München das Institut timesandmore. Sie entkräften eine ganze Anzahl an Mythen, die es rund um die Zeit gibt. Dass es nur eine Zeit gäbe entspringt einem Festhalten an der Uhrzeit und einer sehr mechanistischen Vorstellung von Natur. Die Naturwissenschaftler sind sich noch nicht einmal so einig, wie ihnen gerne unterstellt wird. Die Zeit vergeht für einen Baum völlig anders als für eine Heuschrecke. Und für uns dehnt sie sich oft sehr, wenn wir uns z.B. auf etwas freuen – und dann geht es erschreckend schnell, wenn das Ereignis eingetreten ist.

Es gilt also, mehr Distanz zum harten Diktat der Uhr zu gewinnen. Auch die Fiktion, Pünktlichkeit sei alternativlos, ist nicht haltbar: Gerade im Arbeitsleben kommt es heutzutage auf die Fähigkeit an, auch spontan und flexibel sein sowie sich schnell auf Unerwartetes einstellen zu können. Zeit ist Geld ist ein Mythos, der inzwischen widerlegt ist: Die Vorstellung von Zeit als Geld wirkt sogar glückshemmend, wie eine Studie der Universität Toronto feststellte.

Pausen sind unproduktiv und Warten ist verlorene Zeit sind schließlich ebenfalls falsche Paradigmen. Pausen sind wertvolle Zwischenphasen, in denen wir auf ganz anderen Ebenen verarbeiten – da werden in unserem Kopf Dinge sortiert, zugeordnet und aufgeräumt. Wie bei den Heinzelmännchen von Köln. Und erst dadurch entsteht wieder die Kapazität, kreativ zu sein. Und beim Warten ist es nicht die Wartezeit, die uns stresst, sondern die Einstellung zu dieser. Es ist letztlich der Frust darüber, dass uns gefühlt die Kontrolle entzogen wird. Doch diese Zeit wird uns ja nicht nur gestohlen, sondern auch geschenkt; einfach mal in der Zeit zu verweilen und sich treiben zu lassen kann plötzlich möglich werden – exakt das, was wir uns in anderen Situationen so sehr wünschen.

 

Zyklen und Leben

Atmen, Zyklen und Rhythmen sind unmittelbar mit dem Leben verbunden. Es gibt den Zyklus von Tag und Nacht, die Jahreszeiten aus dem Kreisen der Erde um die Sonne sowie den Mondzyklus und bei uns Menschen den weiblichen Zyklus. Der Mond wiederum ist dafür verantwortlich, dass nur leichte Bewegungen des Wassers in der Ebbe von oft gewaltigen Wellen in der Flut abgelöst werden. Die Liste ließe sich noch fortsetzen.

Atmen kommt aus dem Sanskrit und das dortige Ursprungswort heißt Atman, was soviel wie Geist, bzw. ewige Essenz des Geistes heißt und somit wird es auch häufig als Seele bezeichnet.

>> Leben ist etwas, das atmet. Auf welche Weise auch immer.

„Das Verlangen nach Sicherheit“, so sagt der britische Religionsphilosoph Alan Watts (1915-1973), „ist nichts anderes als ein Wettbewerb im Atem-Anhalten, in dem jeder Teilnehmer angespannt wie ein Trommelfell und rot wie eine Rübe ist.“  Wir streben nach dieser Sicherheit, indem wir uns auf zahllose Weisen verhärten und einkapseln. Da sind wir bei unserem menschlichen Verstand angekommen, der natürlich Fluch und Segen zugleich ist. Segen, weil er, wenn man ihn klug als Instrument und damit „als Dienstleister“ benutzt, enorme Dinge hervorzubringen in der Lage ist, wie u.a. zahllose Annehmlichkeiten des modernen Lebens, die wir inzwischen als so selbstverständlich empfinden, dass wir sie erst vermissen würden, wenn sie plötzlich weg wären – dann aber sehr schmerzlich, denken wir nur an Elektrizität, Trinkwasserversorgung oder Kommunikationswege.

Und Fluch, weil ebendiesem Verstand, unserem Kopf allein sozusagen, spätestens seit dem 17. Jahrhundert eine Rolle zugesprochen wird, die ihm nicht zusteht. Zwar hat das Denken eben all die genannten Entwicklungen und Fortschritte gebracht, doch die Ableitung „Ich denke, also bin ich“ des frz. Philosophen René Descartes (1596-1650) hat auch zu einer Abspaltung geführt und – wenn man so will – zu beidem: Zu einem unfreiwilligen Kleinmachen des Menschen, das er mit Hilfe der Verbindung zu anderen auszugleichen trachtet – sozusagen von Einkapselung zu Einkapselung; und zu einer größenwahnsinnigen Selbstüberhöhung des Menschen, der vom Kopf her glaubt, wirklich alles nach Gutdünken lenken und steuern zu können. Seitdem vollbringt der Mensch zwar sowohl grausame als auch großartige Taten, doch was bleibt, ist eine tiefsitzende permanente Sehnsucht.

 

Bewusstsein und Freude

Unser Kopf versucht ständig, Dinge festzuhalten, zu erreichen und zu verstehen. Selbst wenn es dann mal so etwas wie eine Ahnung in uns gibt, ist er sofort mit neuen, weitergehenden Fragen voll. Er will am liebsten ununterbrochen etwas haben und versucht, sich an Objekte zu hängen. Jetzt aber, dann aber, erst noch schnell, dann ganz gewiss, doch vorher noch rasch usw. … Es ist ein sehr hoher Preis, den wir da bezahlen: Es ist eine verrückte Mischung aus Angst vor dem Tod sowie Ausweichen vor unangenehmen Themen zum einen und eben jener Sehnsucht danach, sich und das eigene Leben doch endlich selbst zu finden. Bei vielen passiert das nie oder wirklich sehr spät. „Während wir es aufschieben, vergeht das Leben,“  wusste immerhin schon der römische Philosoph Seneca.

Unser Gehirn ist allerdings anders konstruiert – es ist eine gigantische Problemlösemaschine und, wenn unsere 86 Milliarden(!) Neuronen erstmal losgelassen, dann sind sie auch ziemlich gut darin, Probleme zu lösen. Siddhartha Gautama, der spätere Buddha (ca. 563-483 v.Chr.), sagte dazu: „Das Leben ist kein Problem, das es zu lösen, sondern eine Wirklichkeit, die es zu erfahren gilt.“

Zu dumm. Also doch nichts, was wir lösen können? Indem wir Erkenntnisse auf Erkenntnisse häufen, daraus Ableitungen und dann haben wir etwa die sogenannte „Weltformel“, nach der tatsächlich die Wissenschaften seit Jahrzehnten suchen und sie nicht finden. Wenn wir also nichts hinzufügen brauchen, was dann?

Was macht mich aus? Was ist Leben? Was ist womöglich meine Bestimmung? Was ist der Sinn von alledem hier? Was soll, was kann ich mir (überhaupt) wünschen? Und was soll das alles hier, wenn ich kaum etwas steuern kann?

Die Fragen werden nicht weniger … – kein Wunder, denn unser Kopf hat, ohne dass wir es merken, eine Spielregel aufgestellt, nämlich erst zufrieden sein zu wollen, wenn er die Antworten versteht.

„Es ist wichtig, bestimmte Dinge gehen zu lassen. Loszulassen. Sich zu lösen. (…) Zyklen beenden: Nicht aus Stolz, Unfähigkeit oder Hochmut, sondern einfach nur, weil sie nicht mehr in dein Leben passen. Schließe die Tür, lege eine andere Platte auf, räum dein Haus auf, schüttele den Staub aus. Höre auf zu sein, der du warst, und werde der, der du bist.“

Das ist der Beitrag des bekannten brasilianischen Schriftstellers Paulo Coelho dazu.

Für den griechischen Philosophen Epikur (341 – 270 vor Chr.) ist Freude ein zentrales Ziel und Sinn des menschlichen Lebens. Je nach Übersetzung ergibt sich auch das Wort „Lust“ … und kombiniert hören sich ja Lebenslust und Lebensfreude  schon mal gut an. Es ist wichtig, hier noch einmal darauf hinzuweisen, dass damit eben keine rosarote Brille oder irgendein vermeintliches Schlaraffenland gemeint ist, in dem es nur noch angenehme Dinge gibt. Das wäre nicht nur furchtbar langweilig, sondern würde auch schon deswegen nicht funktionieren, weil alles im Universum offenbar ein Gegenstück braucht. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass die Buddhisten von Yin und Yang sprechen.

 

Der Rote Faden zwischen alledem

Wie finde ich den Roten Faden zwischen all diesen Aspekten? Berechtigte Frage!
Es ist hier eine ganz andere Qualität von Freude gemeint: Die Freude daran, wirklich alles bedingungslos willkommen zu heißen im Leben. Die Freude, die entstehen kann, wenn uns – und zwar ganz ohne Größenwahn – bewusst wird, dass wir viel größer sind als unsere Ängste, Schuldgefühle, unsere Sucht nach Sicherheit oder das Verlangen nach irgendetwas – an dem wir uns dann „festhalten“ können. Wir bleiben einfach blitzschnell an allem hängen.

Lassen wir den spirituellen Lehrer Francis Lucille zu Wort kommen:

„Der gegenwärtige Moment ist immer noch ein Objekt; er ist immer noch etwas. Wenn Du in ihn verliebt bist, bleibst du am Objekt hängen. Wenn Du Dich in die Präsenz verliebst, versuchst du nicht, den Moment anzuhalten, du lässt den Moment fließen, weil du verstehst, dass er keine Rolle spielt. Je mehr er fließt, desto mehr bist du in deiner Präsenz, deiner Gegenwärtigkeit, deinem Wissen. Du wirst den Fluss der Dinge spüren und ein Taoist werden. Das ist die Bedeutung des Wortes Tao – das Fließen.“

Francis Lucille gibt uns die Chance, die Teile zusammenzufügen. Sterben  von einem Moment zum nächsten. Um das Erleben des nächsten überhaupt zu ermöglichen.

Ergibt es also (noch) Sinn, auch mit dem Kopf Ziele anzustreben und sein Leben bestmöglich zu gestalten? Ja, selbstverständlich. Wenn wir zu einer Gesamtbetrachtung kommen, bei der der Kopf, der alte Widerborst, guter Dienstleister zur Reflektion sein kann und darf. Wenn wir ihn als Werkzeug nutzen, um unsere Zeit zu betrachten und, um uns selbst „Ent-Faltung“ und „Ent-Wicklung“ zu ermöglichen, wohl wissend, dass letztere unser ganzes Sein betreffen.

Wir brauchen hier und da einen Verarbeitungsraum für uns selbst und unsere Seele. Dann und auf diese Art und Weise macht es Spaß, sich und den eigenen Roten Faden immer wieder neu zu finden. Und dann können wir aufhören, in völliger Überschätzung von uns selbst Wasser mit Packpapier in ein Paket packen, die Flut mit den Händen aufhalten oder den Wind am wehen hindern zu wollen. Es ist eher so, dass wir uns selbst mit heiterer Gelassenheit eine bestmögliche Reisebegleitung werden und sind. Dass wir unser Leben wichtig, aber nicht so ernst nehmen.

In diesem Sinne bringt es der japanische Zen-Meister Ikkyû Sôjun (1394-1481) auf den Punkt:

„Ich habe nichts gesehen auf meiner Reise, doch ich atmete – Zeit.“

Von einem Moment in den nächsten sterben. … Loslassen und Leben in einem ständig wiederkehrenden Zyklus: Die dänische Rockgruppe Vollbeat bringt unsere blockierte Energie endgültig (wieder) zum Fließen, wenn sie feststellt: „We die to live.“  🙂